Digitales White Label Design
Was ist White Label Design und was sind die Vorteile davon?
von Philipp Brunner
03.12.2013
Der Begriff „White Label“ bezeichnet im Allgemeinen Waren, die nicht unter der Marke ihres eigentlichen Produzenten, sondern als Produkte anderer Hersteller vertrieben und verkauft werden.
Etikettenschwindel mit der Extraportion Service Design
Beispiele solcher White-Label-Produkte befinden sich in jedem Supermarkt ums Eck, ohne dass Konsumenten in den meisten Fällen darüber Bescheid wissen: Von Lebensmitteln, über Kleidungsstücke, bis hin zu elektronischen Geräten werden mehr Produkte von einem anderen Hersteller gefertigt, als es auf den ersten Blick ersichtlich ist.
Ein klassisches Beispiel eines White-Label-Produkts sind CD-, DVD- und Blue Ray-Rohlinge: zahlreiche Elektronikhandels- und Supermarktketten führen Rohlinge unter ihrem eigenen Markennamen – mit entsprechendem Packungsdesign und Branding auf dem Datenträger selbst. Der tatsächliche Hersteller kann nur über den digitalen Produktcode des Rohlings ausgelesen werden.
Apropos Datenträger: die Bezeichnung „White Label“ verdanken wir der Welt der Vinylschallplatten und DJ-Kultur. Vor dem öffentlichen Release neuer Platten wurden Kopien ohne Labelangaben – also mit weißem Label – zu Promotionszwecken an DJs und Radiostationen versandt. Der Begriff festigte sich schnell in der DJ-Szene: Erfolgreiche DJs überklebten zum Teil die Platten ihres Sets mit weißen Aufklebern, um der DJ-Konkurrenz ihre musikalischen Quellen nicht zu offenbaren.
White Label Design im digitalen Ambiente
Auch im Digitalbereich erfährt die Strategie des White Labellings breite Anwendung. Hier steht der Begriff für digitale Produkte und Services, deren Erscheinungsbild zu einem bestimmten Ausmaß an die Anforderungen der kommunizierenden Marke angepasst werden kann.
Die technische Infrastruktur, der Funktionsumfang und die konkrete Funktionsweise sind dabei vom White-Label-Anbieter vorgegeben und können in den meisten Fällen nicht angepasst werden.
Entscheidendes Merkmal einer digitalen White-Label-Lösung ist, dass sie von Endnutzern als eigenständiges Produkt der integrierten Marke erlebt wird und im Idealfall keine Verbindung zum dahinterliegenden Anbieter ersichtlich ist.
Gerade im Digitalbereich steht die Auslagerung sämtlicher technischer Aufwände für Lizenznehmer einer White-Label-Lösung im Vordergrund.
Was bringt White Labeling?
Die Strategie des digitalen White Labelings ist vor allem mit ökonomischen Überlegungen verknüpft. Eine Vielzahl von Einsparungspotentialen und Synergieeffekten sprechen für White-Label-Lösungen, sowohl aus Sicht des Anbieters, als auch der Lizenznehmer.
Vorteile für Anbieter einer White-Label-Lösung:
- Mehrfache Vermarktung und Vertrieb eines einmal entwickelten Produktes
- Aufbau eines dauerhaften Betreuungs- und Wartungsverhältnisses mit Partnern
- Laufende Weiterentwicklung des Produktes kann für alle bestehenden Partner angeboten werden
- Neben dem Geschäftsmodell von Lizensierung und Wartung besteht auch die Möglichkeit der transaktionsabhängigen Provision
Skalierbare Angebote ermöglichen Targeting unterschiedlicher Partnerzielgruppen
Vorteile für Partner, die eine White-Label-Lösung einsetzen:
- Sehr kurze Time-to-Market
- Deutlich geringere Implementierungskosten als eine Eigenentwicklung
- Outsourcing von technischer Implementierung und Wartung
- Einsatz von erprobtem Prozess-, Transaktions- und Interaktionsdesign
- Unmittelbare Vorteile durch permanente Weiterentwicklung des Produkts
- Hohe Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit
- Skalierbarkeit von Funktionsumfang und Brandingoptionen ermöglichen maßgeschneiderte Lösungen für unterschiedliche Budgets und Anforderungen
All dies sind Anforderungen an eine solide White-Label-Lösung.
Welche Alleinstellungsmerkmale kann es darüber hinaus für ein Produkt geben, das sich in erster Linie durch visuelle Adaptierbarkeit, also generische Beschaffenheit auszeichnet?
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Digital Design minus Visual Design = Experience Design
Wenn es in der Natur einer White-Label-Lösung liegt, keine charakteristische Oberfläche und kein spezifisches visuelles Design zu besitzen, wo sehen wir – als Designagentur – unseren Gestaltungsspielraum?
Was bleibt, wenn man vom Gesamtpaket „Digital Design“ das visuelle Design subtrahiert?
Die Antwort liegt im Experience Design: Das zentrale Verkaufs- und Anwendungsargument von Produkten, deren Oberfläche austausch- und gestaltbar ist, muss ein solides, erprobtes und funktionierendes Nutzungserlebnis und Funktionsangebot sein.
Experience Design beinhaltet in diesem Fall mehrere Dimensionen. Zum einen haben Themen rund um das Nutzungserlebnis – also die User Experience des digitalen Produktes – zentrale Bedeutung. Zum anderen kann der Begriff des Experience Designs hier breiter definiert werden und auch Themen des Service Designs umfassen:
- Einheitliches Interaktionsdesign: Wie reagiert das System auf User-Aktionen?
- Fest definiertes Prozess- und Transaktionsdesign – wie laufen Prozesse und Transaktionen ab?
- Information über Systemstatus und Optionen – wie kommuniziert das System mit seinen Nutzer:innen?
- Technische Serviceleistung: Systemverfügbarkeit und –performance
- Customization Services: Erweiterbarkeit und Anpassbarkeit
- Support und individuelle Betreuung
Diese Designparameter ermöglichen, selbst aus einem scheinbar austauschbaren Produkt mit variabler Oberflächengestaltung, ein überzeugendes und einzigartiges Serviceangebot zu machen – sowohl für Lizenznehmer als auch für Endkunden.
Im Kern überzeugender White-Label-Lösungen stehen Funktionalitäten mit erprobtem Interaktions- und Transaktionsdesign sowie umfassende Serviceorientiertheit.
Parametrisierung von Designeigenschaften
Die konkrete Gestaltung einer digitalen White-Label-Lösung kann erst nach detaillierter Bedürfnisanalyse potentieller (Endkunden-)Zielgruppen und daraus resultierender Definition funktioneller Anforderungen starten.
Am Beginn des Designprozesses steht die Suche nach dem „kleinsten gemeinsamen Nenner“: dem Festlegen jener visuellen Gestaltungselemente, die das digitale Produkt ausmachen und über die Designidentität entscheiden.
Für einen unserer langjährigen Kunden im Finanzdienstleistungsbereich leisteten wir konzeptionelle und strategische Vorarbeit für eine mögliche White-Label-Weblösung.
In diesem Fall bestand der „kleinste gemeinsame Nenner“ aus einer Auflistung ganz grundsätzlicher Design-Assets, aus denen sich das zu entwickelnde White-Label-System zusammensetzen soll. Da es auf Seite der potentiellen Lizenznehmer des Systems in ihrer Komplexität unterschiedliche Markenanforderungen geben wird, stand eine skalierbare Gestaltungsmöglichkeit dieser Assets auf Basis eines Grunddesigns im Vordergrund.
Von hier aus wird es kleinteilig: Für alle identifizierten Designelemente müssen im weiteren Projektverlauf detaillierte Designparameter definiert werden.
Am Ende des Prozesses steht eine Art Styleguide für alle gestaltbaren Elemente. Welche Gestaltungsparameter sind fix gesetzt und was kann an Marken- und Designanforderungen angepasst werden?
In jedem Fall bleibt das Experience Design als funktionelle Klammer sämtlicher White-Label-Mandantensysteme unabänderlich.
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